22. Islamisches Lager, Schwarzsee (FR), 2012

Bei herrlichem Wetter nahmen dieses Jahr knapp 100 Personen am diesjährigen Islamischen Lager teil.

Bericht von Hamit Duran, Turgi

Herrliche_AussichtRund 130 Personen hatten sich für das mittlerweile 22. Islamische Familienlager, das vom 15. bis 17. Juni 2012 im Haus der Jugend in Schwarzsse (FR) stattfand, angemeldet. Da das angemietete «Haus der Jugend» in Schwarzsee aber nur über knapp 100 Betten verfügt, konnten leider nicht alle aufgenommen werden. Dies war natürlich sehr schade, zumal es keine Möglichkeit gab, ein weiteres Haus zuzumieten.

Auch dieses Jahr begann der Freitagabend mit einem sehr nachdenklich stimmenden Beitrag. «Die Welt auf Pump – Reissen uns die Schulden in den Abgrund?». Der Film, der am 24. April 2012 auf SWR Fernsehen ausgestrahlt worden war, thematisiert die Schuldensituation Deutschlands, die sich aber exemplarisch auch auf andere europäische Länder übertragen lässt. Angeblich haben die Deutschen über ihre Verhältnisse gelebt und sich zu viel geleistet: Auf jedem Deutschen lastet eine Staatsschuld von fast 26.000 Euro. Weltweit stehen die Industrieländer mit 40 Billionen Euro in der Kreide. Jetzt sollen es die Bürger richten – sprich Sparen, hämmert uns die Politik ein. Die Staatsverschuldung hat weltweit Billionen umverteilt – von unten nach oben.

Mit den Schulden explodierten die Vermögen der Millionäre dieser Welt. Warum? Gierige Banker? Arglose Politiker? In einem Gewinnmaximierungssystem das angeblich alternativlos ist? Die Staatsverschuldung und die Dominanz der Finanzoligarchie ist eine Gefahr für unser Gemeinwesen und die Demokratie, urteilt der Wirtschaftsexperte Prof. Max Otte.

Die Dokumentation führt zu den Personen, die mit den Schulden kämpfen: zum Stadtkämmerer von Oberhausen, der deutschen Schuldenhochburg. Zu einer Familie in den USA, der die Bank zwei Drittel ihres Einkommens für Zins und Tilgung des Hauskredits abnahm. Zu einem früheren schwäbischen Banker, der sich fragt, wie Verantwortung, Moral und Augenmass in der entfesselten Finanzwelt unter die Räder gekommen sind. Die Welt auf Pump ist kein Naturereignis – sie ist die Konsequenz einer entfesselten Finanzbranche und vieler menschengemachter Fehler.

Der Film kann hier direkt angesehen werden: http://www.ardmediathek.de/swr-fernsehen/betrifft/die-welt-auf-pump-reissen-uns-die-schulden-in-den-abgrund?documentId=10109314

Die Lesarten des Qur’ân

Abdullah_Bubenheim_1Unser diesjähriger spezieller Gast war Abdullah Frank Bubenheim, der als Sohn evangelischer Eltern in Deutschland aufwuchs und bereits 1973 zum Islam übertrat. Nach dem Abschluss seines Studiums in Amman (Jordanien), bei dem er sich umfassende Kenntnisse des islamischen Rechts (Fiqh) und der Qur’ân- und Hadith-Wissenschaften angeeignet hatte, kehrte er nach Deutschland zurück, um für die Bekanntmachung mit dem Islam und für die deutschsprachigen Muslime, insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Islamischen Zentrum Aachen, tätig zu sein. In dieser Zeit übertrug er eine Anzahl von Schriften aus dem Arabischen ins Deutsche oder wirkte bei ihrer Abfassung mit; so erstellte er in Zusammenarbeit mit Nadeem Elyas eine neue Übersetzung des Qur’ân-Textes. Seit 1993 lebt Abdullah Bubenheim mit seiner Familie wieder in Amman und übersetzt auch weiterhin islamische Literatur ins Deutsche.

In seinen Referaten am Samstag und Sonntag konzentrierte er sich auf einige Besonderheiten der Qur’ân-Rezitation sowie auf die verschiedenen Lesarten. So lernten wir, dass es z.B. wichtig ist, sich an die Regeln der Pausen (arab. Waqf) zu halten, denn dadurch werden einzelne Sätze oder Satzteile voneinander getrennt. Diese stimmen nämlich nicht immer mit den Versen überein. Falsch eingelegte Pausen bei der Rezitation können deshalb den Sinn des Rezitierten verfälschen. In vielen Qur’ân-Ausgaben werden die Stellen, wo eine Pause eingelegt werden sollte, mit kleinen Buchstaben markiert.

Ein weiteres Thema waren die Verlängerungen (arab. Madd) von Vokalen. Mit Beispielen zeigte er auf, welche Verlängerungsarten es gibt und wie diese gehandhabt werden sollten. Je nach Rezitations­geschwindigkeit ist die absolute Dauer einer Verlängerung natürlich entsprechend anzupassen.

Das dritte Thema, die Lesarten (arab. Ahruf) des Qur’ân, war für einige Teilnehmer ein nicht einfach zu fassendes. Nicht allen ist bekannt, dass der Qur’ân nicht schriftlich, sondern mündlich durch Auswendiglernen überliefert wurde und wird. Die Niederschrift und Sammlung in einem einzigen Buch (arab. Mushaf) dient dabei nur als eine Art Archivkopie. Der Khalif Abu Bakr (r.a.) liess dabei als Erster einen Mushaf erstellen. Dieser wurde nach den sogenannten sieben Lesarten niedergeschrieben. Dabei handelt es sich um sieben verschiedene Mundarten, welche von den verschiedenen Stämmen auf der arabischen Halbinsel gesprochen wurden. Verschiedene Ausdrücke (Worte) mit der gleichen Bedeutung wurden dabei verwendet. Dieser erste Mushaf wurde bei Hafsa (r.a.) aufbewahrt, jedoch später vernichtet.

Da im Laufe der Zeit aber zwischen den Muslimen, insbesondere unter jenen, die der arabischen Sprache nicht mächtig waren, Diskussionen und Streit ausbrachen, veranlasste `Uthmân (r.a.), dass eine Abschrift nach einer einzigen Lesart erstellt wurde. Von diesem Exemplar wurden fünf Abschriften angefertigt und nach Medina, Mekka, Damaskus, Kufa und Basra verbracht. Anschliessend wurden alle sonstigen Abschriften und Aufzeichnungen eingesammelt und verbrannt. Es gibt aber heute wieder Qur’ân-Ausgaben, welche alle sieben Lesarten berücksichtigen. Und natürlich gibt es auch Hâfiz, welche alle sieben Lesarten beherrschen.

Film-Workshop und Vorbereitung für den Ramadan

Ramadan-Baum_entstehtAuch die Jüngeren kamen nicht zu kurz. Als Novum wurde dieses Mal ein Filmworkshop für Jugendliche unter der Leitung von Bruder Alper Altintas durchgeführt. Fünf Gruppen machten sich am Samstagmorgen an die Arbeit und suchten sich zuerst einmal passendes Thema für einen Kurzfilm. Danach wurde gemeinsam ein Drehbuch geschrieben, um dann mit den eigentlichen Aufnahmen zu beginnen. Es entstanden spannende und kurzweilige Filme zu den Themen «Stoppt die Umweltverschmutzung», «Gewalt ist keine Lösung», «Rassismus in der Schule» und «Das Kopftuch» sowie ein Interview mit Hamit Duran, welche am Sonntagmorgen vor versammeltem Publikum vorgeführt wurden. Offenbar sind das Themen, welche die muslimischen Jugendlichen in der heutigen Zeit beschäftigen, was sich auch an der mit viel Begeisterung und Leidenschaft durchgeführten Umsetzung zeigte. Entsprechend gross war auch der Zuspruch der Zuschauer, welche die Vorstellungen mit lang anhaltendem Applaus quittierten. Alle Jugendlichen durften selbstverständlich ein DVD mit allen Filmen mit nach Hause nehmen.

Die kleineren Kinder bekamen von Schwester Laila Oulouda die Aufgabe, als Vorbereitung auf den anstehenden Ramadan, einem grossen Baum mit vielen Ästen zu zeichnen. Dazu bereiteten sie Blätter und Früchte aus Papier vor. Die Idee ist es nun, dass die Kinder im Ramadan mit jeder guten Tat, die sie vollbringen, ein Blatt oder eine Frucht an die Äste kleben, so dass am Ende ein wunderschöner Baum entsteht. Auch hier gaben Eltern und Teilnehmer bei der Vorführung am Sonntagmorgen ihrer Begeisterung mit viel Applaus Ausdruck.

Wie schon in den vergangenen Jahren kam auch dieses Mal wieder Rüstü Aslandur von «Muslime Helfen» vorbei, um über die neuesten Projekte zu berichten. Er erzählte, dass dabei vor allem bedürftige Frauen im Fokus stehen und viel Wert auf Hilfe zur Selbsthilfe und Nachhaltigkeit gelegt wird. So wird z.B. in Burundi dafür gesorgt, dass eine neu gebaute Schule auch Ackerland bekommt, um mit dessen Ertrag den Betrieb der Schule zu finanzieren. Weiterhin erwähnte er, dass der Verwaltungsaufwand bei «Muslime Helfen» im Vergleich zu anderen Hilfsorganisationen sehr gering ist, da wo immer möglich mit lokalen Partnern zusammengearbeitet wird.

Monster-Trotti, Rodelbahn und Wanderung

Bereit_zur_AbfahrtWie jedes Jahr stand der Samstagnachmittag zur freien Verfügung. Ein Teil der Teilnehmer wählte den Rundgang auf der Riggisalp. Dazu bestiegen sie zunächst die Kaiseregg-Sesselbahn, die sie auf 1490 m.ü.M. brachte, um von dort auf dem ausgebauten Rundgang zur Talstation zurückzukehren. Dabei konnte die herrliche Aussicht genossen und viel Sonne und Bergluft getankt werden. Ein 4 km langer Rundgang um den Schwarzsee war ebenfalls eine Möglichkeit für die Wander-Begeisterten.

Die etwas Mutigeren vergnügten sich auf der in der Nähe der Talstation der Kaiseregg-Bahnen gelegenen Sommerrodelbahn. Die ganz Mutigen schliesslich liessen es sich nicht nehmen und sausten mit den Monster-Trottinetts die Riggisalp hinunter. Dabei genossen sie die abwechslungsreiche Fahrt auf der 4 km langen Strecke, ob in gemütlichem oder rasantem Tempo. So kamen alle auf ihre Kosten; auch jene, die es vorzogen, im Lagerhaus zu bleiben und bei angeregten Diskussionen das schöne Wetter und die herrliche Landschaft zu geniessen.

Alles in allem kann auch dieses Jahr wieder eine positive Bilanz gezogen werden, die einzig durch das zwar sehr schön gelegene, aber doch zu kleine Lagerhaus getrübt wurde.