18. Islamisches Lager, Sedrun (GR), 2008

Knapp 75 Teilnehmer besuchten dieses Jahr bei herrlichem Wetter das 18. Islamische Lager in Sedrun. Zum ersten Mal wurde ein Workshop zum Thema Gewaltprävention durchgeführt. Ein weiteres Novum war auch ein Theaterstück, das muslimische Jugendliche einstudierten und aufführten.

von Hamit Duran, Turgi

Zum zweiten Mal fand das traditionelle islamische Familienlager im Kanton Graubünden im Südosten der Schweiz statt. Vom 20. – 22. Juni 2008 fanden sich rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im geräumigen Jugendhotel Alpina in Sedrun ein, das zu diesem Zweck angemietet worden war.

Lockeres Programm mit Fussball

Auch dieses Jahr hatten die Organisatoren der Zeitschrift «Die Barmherzigkeit» wieder ein eher lockeres Programm auf die Beine gestellt, das aber aufgrund der kurzfristigen Absage eines Referenten umgestellt werden musste.

So kam es, dass am Freitagabend nicht der Vortrag von Ahmed Afifi zum Thema «Die Entzifferung der hieroglyphischen Schriftt» auf dem Programm stand, sondern das EM-Fussballspiel Türkei gegen Tschechien, das ja bekanntlich mit einem Sieg der Türken endete…

Ednan_AslanAm Samstagmorgen konnte dann mit dem Vortrag von Prof. Ednan Aslan von der Universität Wien zum Thema «Islamischer Religionsunterricht in Österreich» zum regulären Betrieb übergegangen werden. Dabei erfuhren die Zuhörerinnen und Zuhörer, dass gemäss Volkszählung 2001 rund 40’000 Musliminnen und Muslime in Österreich leben, was ca. 5% der Bevölkerung entspricht. Somit hat Österreich den zweithöchsten Anteil an Muslimen in der EU nach Frankreich. Davon sind 30-40 % in Österreich geboren und haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Im Gegensatz zur Schweiz kommen fast 50% aus der Türkei und nur ca. 40% aus Ex-Jugoslawien (Bosnien, Kosovo, Mazedonien etc.).

Ednan Aslan präsentiere auch die Ergebnisse einer Studie, die die Uni Wien zum Thema Religiosität der 2. und 3. Generation durchgeführt hatte. Dabei stellte man fest, dass sich ca. 80% der muslimischen Jugendlichen als nicht religiös betrachten. Eine erschreckend hohe Zahl, die auch in der Schweiz wohl ähnlich ist. Trotzdem behaupten fast 75% der Befragten, dass sie keinen Alkohol trinken und im Ramadan fasten…

Prof. Aslan präsentiere anschliessend einen Abriss der Geschichte der Muslime in Österreich (1718: Religionsfreiheit für Muslime, 1912: Islamgesetz beschränkt auf den hanafitischen Ritus, 2006: Einrichtung des islamisch-religionspädagogischen Instituts an der Uni Wien). Die 1979 gegründete Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) steht heute an der Spitze der muslimischen Vereinigungen und Institutionen. Deren Struktur mit ihren 4 Gemeinden erinnert dabei stark an die auch in der Schweiz übliche Struktur der Landeskirchen.

Schliesslich berichtete Ednan Aslan noch über den islamischen Religionsunterricht in Österreich, der 1980 an den öffentlichen Schulen eingeführt wurde. So werden momentan rund 40’000 SchülerInnen durch 350 LehrerInnen an 2700 Schulen unterrichtet, wobei die Abmeldungsquote bei erstaunlichen 50 – 55% liegt. Den Abschluss seines Referates bildete eine Vorstellung des privaten Bachelor-Studiengangs der Uni Wien für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen sowie das neue Masterstudium Islamische Religionspädagogik.

Gewaltprävention

Workshop_GewaltpraeventionNach einer kurzen Pause ging es weiter mit einer Einführung in die ChinWoo Gewaltprävention durch Osman Maag. Er erklärte anschaulich, dass sich viele bedrohliche Situationen mittels Gewaltprävention und innerer Selbstverteidigung wirkungsvoll ohne Körpereinsatz regeln lassen, z.B. durch selbstsichere Körpersprache, verbale Mittel etc. Auch die Wahrung der körperlichen Distanz (Faustregel: Umkreis mit einem Radius von einer Armlänge) spielt dabei eine zentrale Rolle. Erst wenn das Gegenüber nicht wie geplant reagiert, setzt die körperliche Selbstverteidigung ein. Der Workshop am Nachmittag bot dann Gelegenheit, nicht nur einen theoretischen sondern auch einen praktischen Einblick in die Thematik zu bekommen.

Nach dem Mittagsessen und anschliessendem Mittagsgebet teilten sich die Teilnehmer im Wesentlichen in zwei Gruppen auf. Die eine nahm die Wanderung zu den sehr beeindruckenden Wasserfällen in Bauns im Val Strem unter die Füsse. Mit etwas Glück konnte man dabei Murmeltiere beobachten, die sich durch scharfe Pfiffe bemerkbar machen.

Die andere Gruppe erhielt wie bereits erwähnt einen Einblick in speziell ausgearbeitete Methoden der Selbstverteidigung und Gewaltprävention. Im Vordergrund standen dabei die Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, die Akzeptanz eigener Schwächen, eine modifizierte Moralvorstellung (Ehre, Anstand, keine Gewalt gegen Schwächere) sowie angemessene Reaktionen auf unmittelbar erfahrene Gewalt. Anhand praktischer Übungen mit Trainingspartner konnte das Gehörte praktisch vertieft werden. Trotz des sehr ernsten Themas hatten die Teilnehmer – Erwachsene wie Kinder – eine Menge Spass.

Islamunterricht und Theaterprojekt

ZuhoererParallel zu den Vorträgen wurde dieses Mal neben dem Islamunterricht ein kleines Theaterprojekt für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Im Islamunterricht setzten sich die Kinder spielerisch mit dem Thema Dschannah (Paradies) auseinander.

Am Samstagabend konnte dann Ahmed Afifi seinen Vortrag zum Thema «Die Entzifferung der hieroglyphischen Schrift» halten an dessen Ende sogar einige Worte zu entziffern waren.

Wie schon im Vorjahr stellten die Kinder vom Islamunterricht am Sonntagmorgen ihre Arbeiten vor. Die Theatergruppe durfte anschliessend das von Feyza Duran und Fatima Oulouda geschriebene Stück «Keep drug free» aufführen, das in etwa folgende Geschichte erzählt:

Die beiden Geschwister Abdullah und Aziza werden in der Schule von ihrem islamfeindlichen Lehrer geradezu schikaniert. Das Verhältnis zu ihren Klassenkameraden ist folglich nicht sehr gut. Sie möchten dies ändern, und laden ihre Klassenkameraden zum Match Türkei-Schweiz ein, da sie gerade sturmfrei haben. Nach dem Match kommt es zu Alkohol- und Drogenkonsum, und Abdullah sowie Aziza werden eher unfreiwillig mit hineingezogen. Zu allem Überfluss macht ein Mitschüler auch noch Fotos von Aziza ohne Kopftuch, und zeigt sie anderntags in der Schule. Abdullah rastet aus, und wird aggressiv. Als der Vater ihn abholen kommt, die schockierende Nachricht: Abdullah muss ins Erziehungsheim. Auf der Flucht macht er dann auch noch Bekanntschaft mit Drogen. Als dann auch noch die Mutter die Familie verlässt und Aziza auf Abwege kommt, scheint die Lage aussichtslos. Doch die innerlich starke Familie meistert schlussendlich das Dilemma mit viel Kraft, und nach zwei Jahren ist die Familie endlich wieder vereint.

Es war äusserst beeindruckend, wie die z.T. recht junge Gruppe es fertig brachte, das Stück in so kurzer Zeit einzuüben und auch dir notwendigen Requisiten herzustellen. Die Anwesenden bedachten dies mit lang anhaltendem Beifall.

Nach dem anschliessenden gemeinsamen Mittagessen und Mittagsgebet machten sich die Teilnehmer ans Aufräumen und Packen, so dass alle erschöpft aber müde ihren zum Teil recht weiten Heimweg antreten konnten.

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