19. Islamisches Lager, Jaun (FR), 2009

Herrliches Wetter, viele motivierte Teilnehmer und ein abwechslungsreiches Programm haben zum Gelingen dieses Lagers beigetragen.

von Hamit Duran, Turgi

Das mittlerweile 19. islamische Familienlager fand dieses Mal vom 12. bis 14. Juni 2009 in Jaun am Fusse des Jaun-Passes im Kanton Fribourg statt. Mit über 100 Teilnehmern waren die beiden angemieteten Häuser «Gastlosen» und «Körblifluh» nahezu vollständig belegt.

Die Suche nach den 5 fehlenden Talern

Lagerhaus_GastlosenDa das Organisationskomitee endlich wieder einmal über «frisches Blut» verfügte, wurden neue Ideen eingebracht und umgesetzt. Das Lager begann am Freitagabend mit dem 45-minütugen Film «Die Geschichte vom Goldschmied Fabian – Warum überall Geld fehlt», der auf sehr verständliche Art und Weise die Entstehung des Geldes und dem damit eng verknüpften Kredit- und Zinssystem veranschaulicht. Im Prinzip geht es darum, dass wenn nur eine fixe Menge an Geld im Umlauf ist und für die «Geldleihe» (sprich Kredite) Zinsen verlangt werden, es zwangsläufig Gewinner und Verlierer geben muss, denn das zusätzliche Geld für die Zinsen existiert ja gar nicht! Im Film gipfelt das in der rhetorischen Frage «Wo sind die fehlenden 5 Taler?» Es handelt sich dabei um die 5 Taler, die Goldschmied Fabian, der im Film als «Erfinder» von Geld, Kredit und Zinsen fungiert, für einen Kredit von 100 Talern verlangte, Was das für Konsequenzen hat, wird in dem als Zeichentrickfilm gestalteten Film sehr anschaulich dargelegt. Im Angesicht der momentanen Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Thematik natürlich eine besondere Aktualität, was sich in den anschliessenden angeregten Diskussionen niederschlug.

Die Verteilung des kostenlosen Films wird vom Macher und Herausgeber «Neue Impulse e.V.» ausdrücklich gewünscht. Er kann unter folgendem Link angesehen werden: www.neueimpulse.org/dvd-projekte/fabian-film-ansehen

Ein Novum: der Postenlauf

Am darauffolgenden Samstag stand dann eine echte Innovation im Rahmen des traditionellen islamischen Lagers auf dem Programm: ein Postenlauf für die ganze Familie. Das OK hatte dazu einen Rundgang durch das Dorf Jaun zusammengestellt an dem insgesamt 6 Posten zu ganz unterschiedlichen Themen «abgearbeitet» werden mussten. Posten 1 befasste sich mit der Bestimmung der muslimischen Gebetsrichtung, der Qibla. Die Teilnehmer lernten dabei die verschiedenen Methoden zur Bestimmung der Himmelsrichtung mit ihren Vor- und Nachteilen kennen: Schattenwurf zur Mittagszeit, mit Hilfe der Uhr und der Sonne, mit einem Kompass, mittels GPS oder mittels des Pendelns einer Tasbih (!). Aber auch nachts ist es bei klarem Himmel sehr einfach möglich, Norden anhand des Polarsterns zu bestimmen. Und tatsächlich: in der Nacht von Samstag auf Sonntag war der Sternenhimmel dank dem Fehlen städtischen Streulichts so wunderbar klar, dass es ein Kinderspiel war, den Polarstern zu finden und somit die Qibla zu bestimmen. Eine Zusammenfassung der verschiedenen Methoden kann hier heruntergeladen werden.

Der zweite Posten befasste sich mit der Botanik, im Speziellen mit der Vielfalt der Bäume und Blumen, die in Jaun anzufinden sind. Die Teilnehmer lernten dabei, wie sich das Holz einer Buche von demjenigen der Eiche zu unterscheiden ist. Oder wie man die Nadeln der Blautanne und jene der weit verbreiteten Rottanne oder Fichte auseinanderhalten kann. Welches Holz ist besser für den Möbelbau und welches eignet sich mehr für das Verfeuern? Diese und andere Fragen wurden erörtert und bei so manchen Erwachsenen wurde die Erinnerung an die eigene Kindheit wieder wach.

Zahlen und Zählen

Der nächste Posten befasste sich mit Zahlen und Zahlsystemen in verschiedenen Sprachen und Kulturen. Neben den bekannten römischen, arabischen und asiatischen Zahlen lernten die Teilnehmer aber auch so Erstaunliches, dass sich sogar das simple Abzählen mit den Fingern von Kultur zu Kultur unterscheidet. Während Europäer normalerweise zwei Hände für das Zählen bis 10 brauchen machen dies Asiaten mit nur einer Hand!

Posten_SteinturmDer vierte Posten war zur Abwechslung einmal eine physische Herausforderung: es galt Steine in einem Fluss zu sammeln und daraus einen möglichst hohen Steinturm zu bauen. Neben technischem Geschick war dabei auch intensives Teamwork gefragt. Gross und Klein arbeiteten Hand in Hand, so dass am Schluss sechs imposante Steintürme resultierten wobei der grösste eine Höhe von 165 cm aufwies! Eine Mädchengruppe hatte aber den schönsten Turm gebaut.

Auch beim fünften Posten war wieder Körpereinsatz gefragt. Mit Hilfe eines an einem Seil befestigten Eimers sollten Wasser geschöpft und in einen anderen Eimer umgefüllt werden. Das tönt zwar einfach, ist es aber nicht. Wie bringt man einen leeren Eimer dazu, dass er nicht auf der Oberfläche des Wasser schwimmt sondern sich neigt und mit Wasser füllt? Hier waren neben Geschick auch Kraft und Ausdauer gefragt, denn der gefüllte Eimer musste wieder an Land gezogen werden.

Der letzte Posten war schliesslich wieder eher «kopflastig», es ging um Propheten. Die Geschichte von Nûh (a.s.) zum Beispiel ist in vielen Aspekten sehr lehrreich auch für die heutige Zeit.

Aufstieg zur Burgruine «Ballavuarda»

Nach rund drei Stunden kamen die Teilnehmer nach und nach wieder zurück und warteten ungeduldig auf das wohlverdiente Mittagessen. Nach dem anschliessenden Mittagsgebet berichtete Rüştü Aslandur von «muslimehelfen» über die neuesten Waisenprojekte in Burundi. muslimehelfen unterstützt seit 2003 Waisenkinder in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis, darunter viele, die Vater oder Mutter durch AIDS verloren haben oder sogar selbst infiziert sind. Die Kinder wurden mit Lebensmitteln versorgt, medizinisch betreut und auch im Hinblick auf den Schulbesuch unterstützt. Weitere Informationen können auf www.muslimehelfen.org/waisen abgerufen werden.

Muhammad_HanelIm Anschluss daran stand dann für die Unentwegten eine Wanderung zur Burgruine «Ballavuarda» auf der anderen Talseite auf dem Programm. Die Ruine der vermutlich 1407 zerstörten Burg befand sich zwischen dem Euschelstal und dem Oberbach oberhalb der Hauptstrasse auf ca. 1180 m Höhe. Im April 1979 stürzte die letzte verbliebene Mauer ein.

Der französische Name von Jaun – Bellegarde – stammt offensichtlich von dieser Burg her. In letzter
Zeit wurde der verbleibende Rest der Ruine befestigt. Der Aufstieg durch den Wald war einigermassen anstrengend, waren doch immerhin 200 Höhenmeter zu überwinden. Dafür wurden die «Kletterer» aber mit einer herrlichen Aussicht über das ganze Tal und die Berge belohnt.

Wieder zurück im Lager ging es dann weiter mit einem Vortrag von Bruder Muhammad Hanel unter dem vielsagenden Titel «Wisst Ihr worüber ich zu Euch heute sprechen werde?». So wie der Schreibende hatten wohl viele andere die Vermutung, dass er sich auf die Geschichte des berühmten «Nasreddin Hoca» aus der Türkei bezieht, als dieser eingeladen war, vor einer Gemeinschaft zu sprechen und er seinen Auftritt mit dieser Anrede begann. Der vollständige Vortragstext kann hier heruntergeladen werden: www.islamheute.ch/Lager.htm

25 Jahre Islamic Relief

Mustafa Al-Aswad von «Islamic Relief», welches heuer ihr 25 Jahr-Jubiläum begeht, war während des gesamten Lagers mit einem Stand, an dem er die verschiedenen Hilfsprojekte vorstellte, vertreten. Nach dem Maghrib-Gebet verwies er mit einer kurzen Präsentation noch speziell auf die Möglichkeit, eine Patenschaft für Waisenkinder zu übernehmen. Weitere Informationen dazu können hier abgerufen werden: www.islamic-relief.ch/irv19/spip.php?rubrique74

Der Sonntagmorgen begann mit einem ausgedehnten Morgenbrunch, auf den eine Feedbackrunde der Teilnehmer folgte. Im Allgemeinen wurde das neue Konzept mit dem Postenlauf sehr geschätzt, wobei auch einige wertvolle Verbesserungsvorschläge kamen, die das OK sehr gerne entgegennahm.

Danach war es an der Zeit, sich ans Putzen und Aufräumen zu machen. Mit dem gemeinsamen Zuhr-Gebet, das im Freien verrichtet wurde, fand das diesjährige Lager dann seinen würdigen Abschluss.

«Last but not least» sei noch erwähnt, dass die Küchenmannschaft um Mahmoud Haddad auch dieses Jahr wieder hervorragende Arbeit leistete und die Teilnehmer mit herrlich schmeckenden Gerichten verwöhnte.