Bericht zum 28. Islamischen Lager 2019 in Bonndorf (D)

Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Altersklassen fanden sich zwischen dem 20. Und 22. September 2019 im Ferienheim Steinabad in der Nähe von Bonndorf im deutschen Schwarzwald ein, um gemeinsam ein unterhaltsames und gleichzeitig sehr erholsames Wochenende zu verbringen.

von Hamit Duran, Turgi

Aufgrund der positiven Erfahrungen vom letzten Jahr hatte das OK beschlossen, das Lager wieder am gleichen Ort durchzuführen. Insbesondere die Tatsache, dass wir damals hervorragend bekocht wurden, war ein ausschlaggebender Grund für diesen Entscheid. Um es gleich vorweg zu nehmen, das Essen mundete dieses Jahr nicht so gut, was wohl vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass ein unerwarteter Todesfall ein paar Wochen vorher noch schwer auf der Gastgeberfamilie lastete.

Als Referent war dieses Mal Dr. Carl Philipp Yusuf Dreckmann aus Wien, wo er als Wissenschaftler und Dozent am Islamologischen Institut arbeitet, angereist. Seinen Bachelor in Islamwissenschaften und Arabisch erwarb er an der Islamischen Universität Camperdown, Südafrika, und an der Fakultät für Islamische Studien in Novi Pazar (Serbien) promovierte er.

Bildung als Chancenschlüssel

In seinem Beitrag am Samstagmorgen zum Thema «Bildung als Chancenschlüssel» definierte er zunächst den Begriff «Bildung» aus einer islamischen Perspektive: Linguistisch bedeutet «Bildung» die -«Aneignung von Wissen». Eine der wichtigsten Formen der Präventivarbeit gegen Extremismus ist die Zurverfügungstellung von authentischem islamischem Wissen. Dreckmann erinnerte auch an die Tatsache, dass das erste Wort, welches dem Propheten Muhammad (a.s.) offenbart wurde, das Wort Iqra´ – Lies!, Studiere!, Forsche! war. Ein Wort, welches nach ca. 600 Jahren Hinabsendungspause hinabgesandt wurde.

Und daraus lässt sich der erste Chancenschlüssel ableiten: Bildung ermöglicht dem Menschen Mensch zu sein. Sie beeinflusst die Formung des Menschen im Hinblick auf sein «Menschsein», d.h. zu einer Persönlichkeit, die sich durch besondere geistige, physische, soziale und kulturelle Merkmale auszeichnet.

Der Islam kennt zwei Kategorien von Wissen:

  • Wissen, welches eine Pflicht für jeden Muslim ist. Dieses Wissen wird in Fachsprache als Fard `Ain bezeichnet. Dazu gehören z.B. die Gebote und Verbote in der islamischen Lehre.
  • Wissen, welches eine Pflicht für die muslimische Gemeinde als Ganzes ist. Dieses Wissen wird in der Fachsprache als Fard-Kifaayah (Kollektivpflicht) bezeichnet. D.h. ein ausreichender Teil der Muslime muss über solch ein Wissen verfügen, welches für das Wohl der anderen (Muslime und Nicht-Muslime) unabdingbar ist. Dazu gehören Wissenschaften wie z.B. Medizin, Psychologie, Pädagogik, Mathematik, etc.

Diese Einteilung zeigt ganz deutlich, dass der Islam kein Hindernis für Fortschritt sondern eine Quelle für Fortschritt ist!

Daneben bietet Bildung aber auch die Chance das Herz, die Seele, die Gedanken und die Taten zu reinigen, und Bildung bzw. Wissen kann ein Garant für Erfolg im Diesseits und im Jenseits sein.

Dreckmann schloss seine Ausführungen mit einem Zitat von Malcom X ab: «Bildung ist der Reisepass für die Zukunft, denn der Morgen gehört denjenigen, die sich heute darauf vorbereiten.»

Wutachschlucht und Schluchsee

Den Samstagnachmittag nutzten die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer für einen Ausflug zu einer der Attraktionen in der näheren oder weiteren Umgebung von Bonndorf. Während einige die nahe gelegene Wutachschlucht besuchten, und die 60 bis 170 Meter tiefen Schluchten, die sich (ohne Nebenschluchten) über 33 Flusskilometer erstrecken, bestaunten, fuhren andere zum ebenfalls nicht weit entfernten Schluchsee. Mit einem günstig zu mietenden Tret- oder Elektrobooten liess sich der ca. 7 km lange und 1.4 km breite Stausee hervorragend erkunden. Eine weitere Gruppe fuhr sogar zum deutlich weiter entfernten Titisee und genoss ebenfalls das schöne Wetter und die herrliche Landschaft rund um den See.

Die Moschee im Kontext der Siirah

Nach dem Nachtessen und dem Abendgebet ging es dann weiter mit dem zweiten Beitrag von Yusuf Dreckmann zum Thema «Die Moschee im Kontext der Siirah». Bei Kaffee und Kuchen legte er zunächst dar, dass es mehrere Gründe gibt, warum die Siirah, also die Biographie des Propheten Muhammad (a.s.) wichtig ist, so zum Beispiel:

  • ist sie ein Nachweis für die aussergewöhnliche Prophetenschaft Muhammads (a.s.),
  • hilft sie beim Verständnis der Suren und Aayaat (Hinabsendungsanlässe),
  • dient sie als Vermittlung vieler Fiqh-, Ethik-, ‘Aqiidah-Normen,
  • gibt sie uns ein Verständnis über die damaligen Lebenssituation, Kultur & Sitten.

Er erinnerte daran, dass als der Prophet Muhammad (a.s.) nach der Hidschra am 12. Rabii’ul-awaal in Al-madiinah ankommen war, er sich im Haus von Ayyuub Al-ansaariy niederliess und sich mit dem Allerwichtigsten als Erstes beschäftigte, nämlich mit der Errichtung einer Moschee … ganz nach dem Prinzip von «First things first». Dabei ist es wichtig zu wissen, dass diese Prophetenmoschee nicht nur für das Verrichten des rituellen Gebets diente, sondern auch als Bildungszentrum, Kulturzentrum, Gesundheitszentrum, Herberge und Zufluchtsort für die Armen und Schwachen, unabhängig von deren Religion und Abstammung, diente.

Bemerkenswert ist aber auch, was nach dem Bau der Prophetenmoschee geschah. Es wurden Beziehungen und Freundschaften zu den Nicht-Muslimischen Bürgern von Al-madiinah aufgebaut, wie z.B. durch die Ausarbeitung einer Verfassung, der sog. Sahiifatul-madiinah (die Charta von Al-madiinah). Und diesem Beispiel folgend, ist es von enormer Bedeutung, dass auch unsere Gemeinde sich darum bemüht, Kontakte, Beziehungen und Freundschaften mit den anderen hiesigen Gemeinden aufzubauen.

Zum Schluss betonte Dreckmann noch die Wichtigkeit, sich in der Moschee zu engagieren, sei es beim Bau, beim Unterhalt, u.ä.

Abschluss

Am Sonntagmorgen waren dann Packen, Aufräumen, Putzen und ein Morgenbrunch angesagt. Anschliessend verabschiedeten sich alle Teilnehmer voneinander und traten glücklich und zufrieden ihren Heimweg an.

Es bleibt anzumerken, dass das OK aufgrund anderer Verpflichtungen einiger Mitglieder dieses Jahr besonders klein und daher ziemlich an der Belastungsgrenze arbeitete. Eine Weiterführung im nächsten Jahr scheint unter den gegebenen Umständen daher alles andere als sicher. Glücklicherweise haben sich aber nach einem entsprechenden Aufruf ein paar Geschwister gemeldet, die sich im OK für das Lager 2020 engagieren möchten, alhamdulillah. Weitere Interessentinnen und Interessenten sind aber nach wie vor herzlich willkommen und können sich ganz einfach unter info(at)barmherzigkeit.ch beim OK melden.

Eine kleine Bildergalerie kann hier betrachtet werden.