Bericht zum 27. islamischen Lager 2018 in Bonndorf (D)

Ein besonderes Ambiente eingebettet in eine wunderschöne Umgebung und bereichert durch eine sehr engagierte Gastreferentin erwartete die Teilnehmer des diesjährigen Lagers, das vom 14.-16. September 2018 in Bonndorf im deutschen Schwarzwald stattfand.

von Hamit Duran, Turgi

Im Gegensatz zu früheren Lagern hielt sich der Andrang dieses Jahr eher in Grenzen. Dazu kamen noch eine ganze Reihe von zum Teil krankheitsbedingten und daher sehr kurzfristigen Absagen, so dass sich schliesslich etwas mehr als 60 Personen in Steinabad bei Bonndorf im deutschen Schwarzwald einfanden. Gleichzeitig war dies auch die erste Premiere: das erste islamische Lager im Ausland!

Das idyllisch gelegene Gästehaus Steinabad bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine tolle Infrastruktur mit viel freier Fläche, diversen Spielmöglichkeiten im Freien, einer geschlossenen Turnhalle und einem praktischen Seminarraum. Dazu kam die zweite Premiere: Zum ersten Mal wurden wir bekocht, wir mussten also keine eigene Küchenmannschaft stellen. Doch dazu später mehr.

Als Gastreferentin durften wir Kübra Gümüşay aus Hamburg begrüssen. Die studierte Politikwissenschaftlerin mit türkischen Wurzeln betätigt sich als Journalistin, Aktivistin und Referentin. Als freie Autorin schreibt sie für Medien wie Die Zeit, Zeit Campus, die Taz, und sie referiert zu den Themen Politik, Islam, Rassismus, Feminismus und Social Media. Dadurch gehört sie mittlerweile zu den prägenden Köpfen unter den Muslimen in Deutschland. In ihrem Vortrag am Samstagvormittag griff sie das Thema der gesellschaftlichen wie auch innerislamische Debattenkultur auf. Dabei erzählte sie uns viel aus ihrer ganz persönlichen Erfahrung, sei es als Bloggerin oder als Teilnehmerin an verschiedensten Fernsehdebatten. Es war sehr interessant zu erfahren, wie sie daraus ihre Lehren zog, So berichtete sie beispielsweise über eine Begebenheit anlässlich einer Diskussionsendung zum Thema Islamophobie am deutschen Fernsehen. Sie machte vor der Sendung Bekanntschaft mit einem der Diskussionsteilnehmer und hatte aufgrund des Gespräches das Gefühl, dass sie beide die gleichen Ansichten hätten. Als die Diskussion dann effektiv losging, behauptete dieser dann aber genau das Gegenteil und brachte Schwester Kübra für einen Moment fast aus dem Konzept (a propos: der Schreiber dieser Zeilen hat am Schweizer Fernsehen schon genau die gleiche Erfahrung gemacht). Ja, es gibt Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken vor der Kamera eine 180 Grad-Kehrtwendung machen und dabei so tun, als wäre das ganz normal.

Eine wichtige Message, die uns Schwester Kübra mit auf den Weg gab, ist die, dass wir Muslime unsere Ressourcen sehr sorgfältig einsetzen sollten. Das heisst, dass wir uns sehr genau aussuchen müssen, an welchen Veranstaltungen und Diskussionsrunden wir teilnehmen wollen. Aus ihrer reichen Erfahrung weiss sie, dass es in vielen Fällen gar nicht um eine Diskussion oder Meinungsaustausch geht, sondern einzig und allein darum, die Muslime fertig zu machen und dadurch die Besuchs- oder Einschaltquoten zu erhöhen. Und dazu sollten wir Muslime nicht auch noch Hand bieten. Im Gegenteil, wir Muslime sollten vielmehr am Gegen-Narrativ arbeiten indem wir z.B. auf künstlerischer oder literarischer Ebene viel aktiver werden, sei dies mit Filmen, Musik, Büchern, Malerei etc. etc. Glücklicherweise gibt es da besonders in Deutschland schon einige vielversprechende Ansätze.

Man kann sich vorstellen, dass das Thema unter den Zuhörerinnen und Zuhörern für viel Diskussionsstoff sorgte. Aus Zeitmangel wurde der intensive und engagierte Austausch am Samstagabend nach dem Abendessen und dem gemeinsamen Maghrib-Gebet weitergeführt. Es bleibt zu hoffen, dass auch Schweizer Musliminnen und Muslime die eine oder andere Idee aufgreifen und vielleicht sogar in die Tat umsetzen können.

Der Samstagnachmittag war traditionellerweise der Freizeit gewidmet. Eine grössere Gruppe machte sich auf nach Bachheim, um von dort eine kleine Wanderung durch die berühmte Wutachschlucht zu unternehmen. Trotz des relativ tiefen Wasserstandes sind die 60 bis 170 Meter tiefen Schluchten, die sich (ohne Nebenschluchten) über 33 Flusskilometer erstrecken, sehr eindrücklich. Ihre geologisch junge, und immer noch fortwährende Entstehung bringt eine große Vielfalt an Geo- und Biotopen hervor und ermöglicht einen entsprechenden Reichtum an Tier- und Pflanzenarten. Andere Teilnehmer besuchten den ebenfalls in der Nähe gelegenen, ca. 7 km langen und 1.4 km breiten Schluchsee, bei dem es sich um den Gletschersee des Feldberg-Gletschers handelt und der der durch sein bezauberndes Ambiente und die Möglichkeit, kleine Boote zu mieten und sich frei auf dem See zu bewegen, fasziniert.

Ein weiterer Höhepunkt war das anschliessende Abendessen. Alle Teilnehmer bekamen die Gelegenheit, ihre eigene Pizza zu kreieren und in einem echten Holz-Pizzaofen backen zu lassen. Dazu wurde frisch zubereiteter Pizzateig ausgewallt, so dass jeder und jede, ob jung oder alt, seinen Pizzaboden mit frischen Zutaten selbst belegen konnte. Man kann sich vorstellen, dass das natürlich ein wahrer Hochgenuss war. Im Übrigen mundeten die Mahlzeiten, die durch das Wirtepaar zubereitet wurden, ausgezeichnet. Aufgrund ihrer Erfahrung und Flexibilität blieben auch meist nur sehr wenig Reste übrig, so dass der Abfall minimiert werden konnte, alhamdulillah.

Alles in allem war dieses Lager in vieler Hinsicht anders als jene in früheren Jahren. Und gerade die etwas kleinere Teilnehmerzahl führte dazu, dass eine fast familiäre Stimmung aufkam nach dem Motto: «Klein aber fein». Jedenfalls freuen sich alle schon jetzt auf das Lager im nächsten Jahr.

Eine kleine Bildergalerie kann hier eingesehen werden.